Krankenhaus

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Zur Geschichte des Hauses:
Nachdem Baron von Wrede das Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt hatte, konnte im Jahre 1920 der Grundstein gelegt werden.
Durch Geldentwertung und Schwierigkeiten der Nachkriegszeit verzögerte sich die Fertigstellung. Am 19.11.1922 wurden die ersten Schwestern eingeführt. Die Nähschule sowie eine Kinderverwahrschule    konnten erst später eingerichtet werden.
Weil das Haus mit Kranken nicht ausgelastet war, wurden erholungsbedürftige Kinder aus Dortmund aufgenommen . Stadtsekretär W. Rosenthai schreibt 1923 in der Dortmunder Zeitung Tremonia einen interessanten Bericht.

Ein Bild friedlicher Arbeit und Eintracht
"Dort, wo die Nethe vom Waldesrand fließt leise murmelnd hernieder, dort liegt ein Flecken im War­ burger Land wie Gottesstimmung und Frieden. Zwischen üppigen Feldern und waldigen Höh'n, soweit meine Blicke nur schweifen, erscheinen die Wege so wunderschön wie leuchtende silberne Streifen. Vier kurze Stunden war ich nur dort, doch kann ich sie nimmer vergessen. Gott segne und schütze den friedlichen Ort, mein liebes Willeba­dessen."
Zwischen Altenbeken und Warburg erhebt sich in leicht ansteigenden grünen Hängen und Hügeln das Eggegebirge. Weit ab von dem großen Geräusch des Tages liegen im Tale einzelne kleine Kirchdörfer, die mit ihren roten, sauberen Ziegeldächern auf den im Zuge vorüberhastenden Reisenden den Eindruck machen, als seien sie frisch und sauber gewaschen in Gottes Puppenstube hineingesetzt, als Wahrzeichen und Vorbild des Fleißes und friedlicher Arbeit. Es ist soeben Tag geworden. Polternd fährt der Zug aus dem so lebhaften Bahnhof Altenbeken heraus. Soeben kommt die Sonne leuchtend am Himmel herauf und grüßt freundlich vom Wald­hange herüber, als wir mit dem wie Morgengesang klingenden Wagengeräusch durch einen Tannenwald fahren. Noch einige Minuten, und wir haben Buke, nach weiteren zehn Minuten herrlicher Fahrt Neuenheerse erreicht. Beinahe ruhestörend  klingt das "Fertig" des Zugschaffners in die friedliche Stille der  kleinen Ortschaft hinein, und schon geht es wieder mit Geschwindigkeit  weiter an Tannenwäl­dern und grünen Hängen vorbei. Noch einige Minu­ten, und vor uns liegt Willebadessen.
Friedlich liegt der Bahnhof, umkränzt von Tannen­wald und grünen Bergeshügeln, allein da, etwa 20 Minuten von der Ortschaft entfernt, gleichsam als wolle er den Ankommenden wie ein Vater zur Ruhe mahnen, bevor er die gesegneten Gefilde der War­ burger Börde, die Stätte friedlicher Arbeit und Ein­ tracht, betrete. Hinter dem Bahnhofsgebäude steht inmitten einer Tannenschonung ein großer Ge­ denkstein:
"Wanderer bleib steh 'n, zu schauen nach diesem altbemasten Stein. Die Jäger ließen ihn erbauen, er soll ein Bild der Treue sein. Der Treuen, die vor 40 Jahren, in ihrem jüngsten Alter schon, von Wild­dieben erschossen waren vom Siebten Jägerbataillon. Der Tag beginnt so schön, so früh, falte Deine Hände denk an sie."
Einige Meter Weges, und wir können, obgleich wir noch zwischen zwei großen Obstgärten stehen, in die weite Gegend hinausschauen. Zunächst sehen wir die sauberen Häusergruppen des weiter zurück­ liegenden Dörfchens Willebadessen. Eingerahmt von waldigen Höhenzügen und üppigen Ländereien, liegt es still und friedlich da, ungefähr der Mittelpunkt zwischen Altenbeken und Warburg. Kein Laut dringt zu uns herüber. Wir gehen die mit Obstbäumen reich bepflanzte Chaussee entlang und haben nach etwa 20 Minuten die Ortschaft erreicht. Was auf der geraden, durch das Dorf führenden Straße zunächst ins Auge fällt, sind der überaus große Viehreichtum und der rege Betrieb, welcher schon in der frühen Morgenstunde im Dorfe herrscht:
"Vor den Häusern auf den Wegen, überall kommt's uns entgegen, was da kreuchen  kann und fleucht, Kühe,  Hühner, Gänse,  Enten,  kleine ABC-Studen­ ten, alles regt sich und bezeigt, daß in dieser schwe­ren Frist Eintracht hier und Frieden ist."
Inzwischen sind wir am anderen Ende des Dorfes angekommen. Munter tummeln sich die Gänse und Enten auf dem klaren Flüßchen, welches die Ort­ schaft durchfließt. Noch eine kurze Wegstrecke rechts ab, und wir sind am Ziel. Auf einer sanft ansteigenden Wiese liegt das "Kinderheim", ein schöner, imposanter Bau, ursprünglich als katholi­sches Krankenhaus gedacht, wurde es im Novem­ber vorigen Jahres (1922) fertiggestellt. Die Innenar­beiten sind zum Teil erst in diesem Jahre (1923) fertig geworden. Der Bau ist Eigentum der Gemeinde Willebadessen und wäre zu seiner Bestimmung wie von Gott geschaffen. Zu allem Unglück - viel richtiger gesagt, aber zum Glück für unsere Kinder -, die Kranken, die es aufnehmen sollte,  waren  nicht vorhanden (!)
"Glückliches Land, gesegnetes Land, wie kannst Du dem Schöpfer doch danken. Ein Krankenhaus baust du am Waldesrand, es fehlen dir aber die Kranken." Im Hause wohnen zur Zeit vier Schwestern vom Orden der Dienstmägde Christi, die dortselbst im Sommer eine Kinderverwahranstalt, im Winter eine Nähschule betreuen. Durch eine zufällige Bespre­chung kam unserer Stadtverwaltung (Dortmund) zur Kenntnis, daß dieses Haus verfügbar sei. Stadtrat Dr. Kaiser, der mit dem Landrat des Kreises Warburg sich sehr dafür interessierte, legte sich warm für die Sache ein, und schon am 11.Juli kam eine Verhandlung in Willebadessen zustande, nach welcher die Stadtgemeinde Dortmund das Haus zur Unterbringung ihrer erholungsbedürftigen Kinder auf sechs Jahre pachten konnte.
Nachdem die noch notwendigen 50 Betten und die Einrichtungen zur Aufnahme von 50 Kindern geschaffen waren, konnten schon am 23. August die ersten Kinder aufgenommen werden; ein Beweis, daß unser Jugendamt mit Lust und  Liebe an eine Sache gegangen war, die es mit warmem Herzen vertreten hatte.
Heute nun sollen wir die Kinder zurückholen. Langsam nähere ich mich dem Hause. Es ist 7.30 Uhr früh. Die Türen des Heimes sind noch geschlossen, und ich will den Frieden des Hauses noch nicht stören. Da dem Hause noch die Inschrift und ein Name fehlen, nehme ich den Eichenzweig, welchen ich mir unterwegs gepflückt habe, und schreibe zum Zeitvertreib in den Sand:
"In diesem Hause wohnt der Frieden, die Jugend mit dem Sonnenblick, ihm sei ein dauernd' Heil beschieden, denn Jugend ist das wahre Glück. Hier träumt mit sonnigem Behagen die Kindheit einen goldenen Traum. Die Zeit vergeht in schnellen Tagen, das Glück verfliegt im Weltenraum. Drum sei das Haus in diesem Land getreu Haus Jugendglück genannt."
Gerade überlege ich noch, ob sich in Dortmund wohl ein reicher Herr finden würde, der diesen Vers mit dem zeitausleuchtenden Wort "Haus Jugend­ glück" an der ganzen Front des Hauses anbringen ließe, da höre ich helles, frohes Kinderlachen. Und nun drücke ich auf den Knopf an der Eingangstür. Von einem jungen Mädchen empfangen und ins Sprechzimmer geführt, begrüßte mich die Oberin, Schwester Ludgeriana. Kurz darauf ging es an den Kaffeetisch. Dann wurde ich von der Dame, welche von hier aus zur Beaufsichtigung den Kindern beige­ geben war, durch die Räume geleitet. Überall herrscht  mustergültige Ordnung und Sauberkeit, und mit einem fröhlichen "Guten  Morgen" aus den Mädchenkehlen wurde ich im Speisesaal empfan­gen. Der Abmarsch der Kinder wurde auf 10 Uhr festgesetzt. Wegen der noch zu schreibenden Fahrscheine ging ich schon zum Bahnhof voraus. Um 10.30 Uhr trafen die Kinder ein. Die Schwester Oberin hatte ihnen das Geleit gegeben. Und als dann auch der Gepäckwagen eingetroffen war, ging's im fröhlichen Reigen durch die Gartentür auf den Bahnsteig. Kaum, daß die letzten Grüße und Wünsche ausgetauscht waren, da brauste auch schon der Zug heran. Schnell die Gepäckstücke verstaut, noch mal ein Rufen, ein Winken, und fort ging's im Eilzugtempo durch die grünen Waldungen auf Altenbeken zu. Nach halbstündiger Fahrt hatten wir diese Stadt erreicht und wurden nun mit unserem Wagen hinter den nach Soest weiterfahrenden Personenzug gehängt. Hier sahen wir auch den ersten Bekannten wieder, ein Bild behäbiger Gemütlichkeit:
"Wenn unser Auge sich nicht irrt, dann war, den wir zu sehen bekamen, der dicke Biedermeierwirt, gemütlich dort im Fensterrahmen."
Nach etwa zehn Minuten waren wir umgesetzt; nun ging's weiter auf Paderborn zu . Übermäßig besetzt war der Zug, und auf jeder Station kamen noch mehr Menschen hinzu, die, mit Kisten, Körben und Säcken bepackt, meistens Kartoffeln gehamstert hatten . Der Verkehr war wohl deshalb so stark, weil die meisten Menschen noch einmal hinausgefahren waren, um der in drei Tagen eintretenden neuen Fahrpreiserhöhung zu entgehen. Kurz nach 3 Uhr waren  wir in Wickede-Ussein und hätten in zwölf Minuten unser Ziel erreicht, so daß wir um 3.20 Uhr in Dortmund gewesen wären. Leider aber mußten wir mit dem  Zuge wegen der Paßkontrolle sechs Stunden liegenbleiben, so daß wir erst gegen 9.15 Uhr abends in Dortmund eintrafen, freudig begrüßt von den Angehörigen unserer Kinder, die die schönen Tage des Aufenthaltes im Kinderheim Willeba­dessen wohl nie vergessen werden .
"Es liegt ein Gebäude im Warburger Land, am Walde bei schattigen Bäumen, "Haus Jugendglück" sei es mit Recht wohl genannt, weil die Kinder dort schwärmen und träumen. O mögen die Kinder das goldene Band der Liebe dort nimmer vergessen. Gott schütze das Haus, Gott schütze das Land, mein liebes Willebadessen."

Quelle: Willebadessen - Bilder aus aus vergangenen Tagen, Herausgeber: M. Gockel und Heinrich Müller